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Die letzte Zeit

So nun sind nur noch drei Wochen meines Aufenthaltes in Indien übrig und ich muss sagen, ich freue mich schon sehr auf Zuhause, vor allem auf die Kälte, auf Schnee, Weihnachtsmärkte, Lebkuchen, Glühwein..... 

So richtig lässt es sich hier nicht in Weihnachtsstimmung kommen, auch wenn man es probiert. Ich fühle mich wie im Sommer gefangen, manche von euch werden jetzt denken "Och die hat es gut, es ist schön warm und nicht so kalt wie bei uns" aber dabei vergisst man, das es irgendwie auch etwas lauschiges hat sich mit einem Tee in eine Decke zu kuscheln, sich Kerzen anzuzünden oder in der Kälte über den Weihnachtsmarkt zu laufen und sich an einem Glühwein die Hände zu wärmen. All das habe ich hier leider nicht und ich freue mich sehr, dass ich noch einen Bruchteil des Deutschen Advents mitbekomme (und werde dafür auch von meinen Mitfreiwilligen hier ein bisschen beneidet). 

 

Meine letzte Zeit hier war trotzdem sehr schön. Ich hatte sehr viel Spaß mit meinen Mitfreiwilligen hier in Bangalore. Beispielsweise habe ich mitgeholfen das Vorbereitungsseminar für die neuen Freiwilligen mitzugestalten und es auch mit durchgeführt. 

Aber auch im Freizeitbereich ist hier einfach viel mir möglich als in Dayabhavan, es ist halt einfach eine Großstadt. Wir waren zum Beispiel beim einem Mitarbeiter des Konsulats zur Wohnungseinweihung eingeladen und haben dort deutschen Wein bekommen, was eine willkommene Abwechslung war und wir waren auf einer Geburtstagsfeier, bei der es viel gutes Essen gab und eine eigene Cocktail Bar, mit sehr kreativen Barkeepern die einem jeden Wunsch erfüllt haben. Es ist hier viel einfacher andere Leute zu treffen, die Freizeit schön zu gestalten und den Kopf von der Arbeit frei zu bekommen. 

Aber es sind auch die einfachen Dinge, zum Beispiel, dass ich mich um mein Abendessen selbst kümmern darf oder dass ich mir einen Tee kochen kann, wann immer ich es möchte, weil das in Dayabhavan nur beschränkt möglich war, oder einfach die Trennung zwischen Arbeitsplatz und Wohnraum und die geregelten Arbeitszeiten, die mir wirklich gut tun. 

 

Auch denke ich in letzter Zeit darüber nach, warum ich in Dayabhavan solche Probleme hatte, nicht zuletzt deshalb, dass ich von Daniel höre, dass es bei ihm gerade richtig gut läuft, aber auch weil ich mitbekomme, was die Freiwilligen hier in der Einrichtung für Probleme haben und ich glaube das es unter anderem auch damit zusammenhängt, dass ich eine Frau bin. Ich weiß, das ist irgendwie ein doofes Klischee und in vielen Teilen macht Indien große Fortschritte bezüglich dieses Themas, aber je mehr ich darüber nachdenke, wofür ich wirklich hart kämpfen musste und was bei Daniel ganz oft reibungslos klappt und auch was ich hier in abgeschwächter Form wahrnehme, nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Privatleben, habe ich schon das Gefühl das Unterschiede anhand des Geschlechts gemacht werden. Zum Beispiel habe ich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass man es komisch ist, wenn die Frau ihr essen selbst bezahlt, oder die gesamte Rechnung (bspw. wird die Rechnung dem Mann gegeben oder auch das Rückgeld an meinen männlichen Begleiter obwohl ich gezahlt habe). Ich habe jetzt auch schon des Öfteren mitbekommen, dass es für alleinstehende Frauen schwer, bis unmöglich ist eine eigene Wohnung zu bekommen (wie es für Männer ist kann ich leider nicht sagen). Auch ist es eher untypisch, dass die Frauen in Indien arbeiten gehen, zwar ist es hier in Bangalore nicht ganz so, aber in der ländlicheren Gegend sind die Frauen oft Hausfrauen, zumindest war das bei Eltern vieler unserer Kinder so. Ich weiß auch dass es einige (besonders junge) Frauenà zum Beispiel auch Kolleginnen darunter leiden, dass sie nicht frei darüber entscheiden können was sie machen wollen und wo sie bspw. wohnen. Allerdings ist es ein sehr sensibles Thema hier und auch schwierig dieses anzusprechen.

 

Ich glaube auch, das gerade deshalb die Kommunikation so schwer für mich war in Dayabhavan, da meine männlichen Kollegen und Vorgesetzten es nicht wirklich gewöhnt waren Forderungen oder Kritik zu bekommen und dann auch noch von einer jungen Frau. Was aber für mich aus meiner Perspektive nur normal ist (meine Bedürfnisse klar zu äußern und auch für mein Recht einzustehen) und ich eigentlich auch nicht anders behandelt werden möchte als ein Mann und es auch aus Deutschland nicht wirklich kenne. Und die meisten Mitglieder der Organisation sind Männlich und ich glaub, das besonders der oberste Chef sehr viele Berührungsängste mit mir hatte.

 

Auch finde ich dass die Hierarchiestrukturen hier in Bangalore viel lockerer sind (auch wenn sie trotzdem da sind). Wir haben dieses Thema auch bei dem Vorbereitungsseminar für die indischen Freiwilligen angesprochen, da es ja wirklich ein großer Unterschied zwischen Indien und Deutschland ist. Mich hat sehr überrascht, dass ein sehr einheitlicher Konsens drüber herrschte, dass diese Hierarchie der Entwicklung im Weg steht und dass es sinnvoll wäre diese zu überwinden. Das sind auch nicht meine Worte, das kam so von den Freiwilligen.

 

Es sind so viele Kleinigkeiten, an denen mir das immer wieder auffällt, wie streng die Hierarchie in Dayabhavan war. Nur um einige zu nennen, die Priester konnten sich alles erlauben und sie wurden in Dayabhavan auch sehr viel bedient, wo ich auch hier nur auf Unverständnis bei meinen indischen Kollegen stoße. Aber trotzdem fallen mir hier auch Hierarchische Strukturen auf, aber ich denke, das ist auch ein Stück indische Kultur, da das Kastensystem immer noch sehr präsent ist, auch wenn es offiziell abgeschafft ist.  

 

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass das meine sehr subjektive Meinung und meine Eindrücke zu dem Thema sind. Ich weiß auch, dass die Sachen die ich geschrieben habe nicht objektiv sind, weil es einfach Dinge sind, die mich hier sehr beschäftigen und mich irgendwie auch kränken und ich deshalb sehr empfindlich und emotional reagiere, weil es meinen Dienst schon wesentlich beeinflusst hat. Die genannten Punkte sind meine Eindrücke und mein Wahrnehmung und streben keine Allgemeingültigkeit an, was meiner Meinung nach auch nicht der Sinn dieses Blogs und zum zweiten auch nicht möglich ist, allein schon weil jeder Mensch unterschiedlich und dieses Land sehr groß ist. 

 

Bis Bald 

 

Lidvina